Sie steht. Sie schaut zurück. Und sie bleibt.

Rede zur Enthüllung der Bronze-Skulptur „Susanna“ am 09.05.2025 im Münchner Prinzregentenbad

Von Sanne Kurz

 

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde der Kunst,

ich freue mich außerordentlich, heute hier sprechen zu dürfen – an einem Ort, der wie kaum ein anderer die Verbindung von Körper, Bewegung und Ästhetik verkörpert: dem Münchner Prinzregentenbad.

Ich darf ganz herzlich begrüßen:
• Anke Buettner, Leiterin der Monacensia,
• Prof. Dr. Andreas Kühne, Direktor für Bildende Kunst an der Akademie der Schönen Künste,
• Erich Kühberger, Badmanager der SWM,
• aus dem Stadtrat - und selbst Bewohnerin der Borstei - Ursula Harper,
• Bezirksrätin Ulrike Goldstein sowie
• viele BA-Mitglieder unterschiedlichster Fraktionen, die in ihren Bezirksausschüssen immer fleißig Kultur finanzieren, bitte mal winken, dann kann man nachher mit Ihnen auch sprechen und sie kennen lernen! – und natürlich Dr. Johanna Vocht sowie Frau und und Herr Mayer von der Martin-Mayer-Gesellschaft, ohne deren Engagement dieser Tag nicht möglich gewesen wäre. Sowie natürlich Sie, liebe Gäste, liebe Kunst-Interessierte, ohne die unsere Feier, ohne die die Kunst, kein Publikum hätte. Sie, die mit uns gemeinsam feiern wollen, dass die Susanna zurück ans Licht kommt.

Die Skulptur Susanna – mehr als ein Werk aus Bronze
Susanna wenn sie wie hier bald im Bad ist, ist eine christliche Figur, ich kannte sie, katholisch getauft, wegen meines Namens schon als Kind. In der biblischen Geschichte ist sie Objekt der Begierde, Zielscheibe von Machtmissbrauch - eine Frau zwischen Unschuld und Urteil. Heute, hier, in der klaren, strahlenden Sonne, ist sie vor allem eines: ein Werk voller Würde, Stärke und stiller Präsenz. Martin Mayer sagte einmal: „Das Ergebnis meines Sehens, Denkens und Schaffens besteht in seinem Kern aus Linien, Flächen und Formen. Das entspricht meiner Begabung, meiner Schulung und meiner Leidenschaft." Und wenn man Susanna heute anschaut, so spürt man diese Leidenschaft in jedem Zentimeter Bronze.

Heute, hier, in der klaren, strahlenden Sonne, ist sie vor allem eines: ein Werk voller Würde, Stärke und stiller Präsenz.

Kunst braucht Öffentlichkeit – und Öffentlichkeit braucht Kunst
Dass Susanna so lange im Depot der Stadtwerke lag, zeigt uns, wie fragil das Gedächtnis einer Stadt sein kann. Die Martin Mayer Gesellschaft arbeitet daran, Kunstwerke wieder sichtbar zu machen. Dass auch Museen Werke "verlieren" können, erschüttert. Ja: Viele Werke Martin Mayers sind bis heute verschollen. Ihr Auffinden, ihre Wiederentdeckung, ihre Rückkehr ins Stadtbild ist nicht nur ein kultureller Akt – sie ist ein demokratischer Akt. Denn Kunst gehört in den öffentlichen Raum. Sie muss provozieren dürfen, berühren, irritieren. Mayer selbst sagte: „Es schmeichelt mir, dass meine Statuen die Menschen heute noch in Wallung bringen können, auf welche Weise auch immer. [...] Es ist immer ein Erfolg des Bildhauers, wenn seine 'Kinder' im Gespräch bleiben – das ist der Beweis, dass sie noch am Leben sind.“ Ein Satz, der heute aktueller ist denn je.

Demokratie braucht Kunst – besonders in Zeiten großen Drucks
Wir leben in einer Zeit, in der sich unsere Gesellschaft spaltet. Nicht aus der Mitte heraus, sondern durch den Druck von rechts außen. Rechtsextreme Kräfte wollen nicht nur Minderheiten marginalisieren – sie wollen auch Kontrolle über Kunst, Sprache und Erinnerung. Wer nach Florida oder Ungarn blickt, sieht, wie schnell aus Worten Zensur wird. Donald Trump, der autoritäre Populist, kontrolliert Förderstrukturen für Kultur, kürzt Budgets, lässt Werke abhängen. Auch in Deutschland ist das leider keine ferne Dystopie: auch im Bayerischen Landtag stellt eine Fraktion Anträge zur "Überprüfung" von Kulturförderung, fordert mit jeder Haushaltsberatung für Freie Kunst, Kreativwirtschaft und Film gar deren komplette, ersatzlose Mittel-Streichung. Die Autoritären dieser Welt wissen um die Menschen vereinende Kraft und Wirkmacht freier Kunst. Auch darum ließ Putin auf der besetzten Krim ein Opernhaus planen. Auch darum streben Extremisten und Trumpisten nach Kontrolle über Kunst. Gerade jetzt braucht es darum starke, freie Künstlerinnen und Künstler wie Martin Mayer – und Menschen wie Sie alle, die den öffentlichen Raum gegen das Vergessen verteidigen.

Meine Kindheit und der Jakobspilger in Speyer
Ich komme aus der schönen Pfalz am Rhein. Als Kind habe ich oft zu Füßen des Jakobspilgers in Speyer gespielt. Eine meiner ersten Erinnerungen an die Bronzeskulptur ist, dass man an dem Pilgerstab gut hängen konnte. Diese Figur war für mich damals kein Denkmal, sondern eine Art stummer Gefährte. Ich erinnere mich, wie das Metall glatt und weich wirkte, kühl bisweilen, das Gesicht ernst – aber nie bedrohlich, sondern begreiflich im besten Wortsinne. Mayer hat es geschafft, seinen Skulpturen ein Inneres zu geben, das fast mehr spricht als ihre äußere Form. Ein Belcanto der Form – also das schöne Singen – in der Sprache der Bronze.

Die Olympia Triumphans und das Recht auf Berührung
In München steht seine Olympia triumphans: eine Figur, so lebendig, dass man fast die Muskeln unter der Haut spürt. Ich kannte sie, lange bevor ich ihren Namen und den Namen Martin Mayers kannte. Sie lädt ein, berührt zu werden – ganz im wörtlichen Sinne. Ein demokratischer Skulpturenbegriff, zugänglich, menschlich und sehr präsent. Auch Susanna ist keine distanzierte Figur. Sie steht heute hier, mitten unter uns – ein Denkmal, das nicht auf einen Sockel gehört, sondern in ein Bad, in den Alltag, in unsere Leben.

Das Vermächtnis bewahren – für uns alle
Die Martin-Mayer-Gesellschaft, die für Erhalt und Sichtbarkeit kämpft, hat ein wunderschönes Leitbild formuliert: „Unser Vorhaben, das Vermächtnis eines einzelnen Künstlers zu bewahren, lässt sich angesichts des Zustands der Welt nur begründen mit der Hoffnung, die kleinen Lichter am Leuchten zu halten [...].“ Dieses Licht leuchtet heute heller – durch Susanna, durch Ihre Anwesenheit, durch unser gemeinsames Erinnern. Martin Mayer wollte seinen Werken nichts hinzufügen – keine Erklärung, keine Worte. Darum will ich hier auch gar nicht mehr lange reden. Aber: Worte können Brücken schlagen. Zwischen Skulptur und Stadt. Zwischen Vergangenheit und Zukunft. Zwischen uns allen. Ich danke der Martin Mayer Gesellschaft für Ihr Engagement und diese wunderbare Enthüllungszeremonie, und ich danke Ihnen allen von Herzen, dass Sie heute hier sind, um mit Ihrer Anwesenheit die Würde der Kunst zu feiern. Denn: Susanna lebt – weil wir sie sehen, weil wir sie aufstellen, weil wir ihr Raum geben.

Vielen Dank.

 

Sanne Kurz
MdL, medien- und kulturpolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im bayerischen Landtag
https://www.sanne-kurz.de/2025/06/05/sie-steht-sie-schaut-zurueck-und-sie-bleibt/