Auszüge aus Interviews, Gesprächen, Briefen und Tagebüchern
Ich bin Bildhauer. "Künstler" nennt sich heute jeder.
Das Ergebnis meines Sehens, Denkens und Schaffens besteht in seinem Kern aus Linien, Flächen und Formen. Das entspricht meiner Begabung, meiner Schulung und meiner Leidenschaft. Da ich mich plastisch und grafisch ausdrücke, habe ich meinen Arbeiten verbal nichts hinzufügen – keine Erklärungen, keine Erläuterungen, allenfalls Beiläufiges, Anekdotisches. Hätte ich die Sprache der Worte und Begriffe für ein geeigneteres Ausdrucksmittel gehalten, wäre aus mir kein Bildhauer geworden.
Gut, dass mir in früher Zeit nicht bewusst war, welch eine Fülle von Inhalten in eine Figur passen. Ich hätte die Hände vom Ton gelassen.
Mein väterlicher Freund und Förderer Bernhard Borst hat mir in jungen Jahren geraten, mich Martin Mayer-Thieme zu nennen, sprich inklusive Familienname mütterlicherseits. Aber mein Name hat mich nie interessiert.
Eine gute Plastik muss in ihrer Idee eine Erfindung sein.
Erstaunlich, wie man meinen Figuren unter die Haut schaut, Inhalte aufspürt, die ich nur am Rande bedenke, wenn überhaupt. Meine besondere Absicht gilt nach wie vor dem Belcanto der Form.
Die Leute fragen mich oft, was ich mir bei der einen oder anderen Plastik gedacht habe. Die Fragen, finde ich, sind nicht zu beantworten. Was ich gedacht habe, was ich mir bei einer Figur denke, das liegt ja vor. Das habe ich ja in der Figur ausgedrückt. Da sind ja keine Rätsel zu raten. Bei gegenstandslosen Gebilden, die bedürfen mitunter oder in den meisten Fällen, würde ich sogar sagen, einer Erklärung. Aber das ist bei meinen Figuren ja gar nicht der Fall.
Alle Zufälligkeiten außer Acht lassen, nur auf das Wesen zielen, wohl der eigentliche Sinn der Bildhauerei: Die Launen der Natur erkennen, den Zufall vom Ursprung trennen.
Ein Galerist und guter Freund hat mir gesagt, meine Arbeiten sprächen selbst, aus sich selbst. Und damit widersprächen sie dem Zweck von Vernissagen und Feuilletons. Ich habe sie trotzdem immer bekräftigt, in ihrem Sprechen, ihren Aussagen.
Die Bezeichnungen meiner Plastiken haben keinerlei Bedeutung.
Man kann sich keinen Stil ausdenken. Das ist unmöglich. Die einzige Wandlung, wenn man es als Wandlung bezeichnen will, ist, dass meine früheren Figuren schlanker waren als meine jetzigen.
Ich habe ein ganz kühles Verhältnis zu dem, was ich mache. Wenn man von bestimmten Gefühlen ausginge, würden sich Sentimentalitäten einschleichen, die in der Kunst überhaupt nichts zu suchen haben.
Bevor man eine Figur beginnt, muss ja eine Idee vorliegen. Sonst brauchen wir auch keine Figur anzufangen. Nur eine Figur zu machen, um eine Figur zu machen, das ist zu wenig. Man muss also eine bestimmte Vorstellung haben. In meinem Fall möchte ich sagen, dass ich eine ganz konkrete Vorstellung von einem Gebilde habe. Und aus dieser Vorstellung versuche ich dann, einen Mensch zu entwickeln. Den Mensch nehme ich zum Anlass, als Mittler, könnte man vielleicht sagen.
In ein paar Sätzen kann ich nur sagen, dass es keine Kunst gab bisher und auch keine geben wird, in der kein Abstrahierungsvorgang sichtbar wird. Oft ist zu hören, dass etwas, was nicht zu erkennen ist, was unkenntlich ist, abstrakt sei. Und das ist ein Irrtum. Ich meine, in der Kunst geht es ja darum, das Wesentliche erkennbar zu machen. Wenn man das Wesentliche erkennbar machen will, muss man das Unwesentliche weglassen. Man muss das Unwesentliche abziehen. Und darin liegt ja schon ein geistiger Prozess, ein Abstrahierungsvorgang. Und der macht eigentlich erst die Kunst aus. Der bestimmt den Grad der Kunst. Das hat gar nichts mit "gegenständlich" oder "nicht gegenständlich" zu tun. Eine durchaus gegenständliche Plastik kann so abstrakt sein wie auch ein ungegenständliches Gebilde. Aber es gibt, mir fällt kein anderes Wort ein, Machwerke, oder unkenntliche Machwerke, die als Abstraktion ausgegeben werden, aber mit Abstraktionen überhaupt nichts zu tun haben.
Die Idee Bildhauer zu werden, kam mir als Kind, ich mag vielleicht vier Jahre alt gewesen sein, als ich in Berlin das Reiterstandbild des "Großen Kurfürsten" von Andreas Schlüter sah. Stand ich davor wie ein Zwerg natürlich, weil es ein mächtiges Monument ist, mächtiges Denkmal, mächtiges Reiterstandbild ist. Und das hat mich so beeindruckt, dass ich mir gesagt habe, ich will auch sowas machen. Und seit dieser Zeit war mir eigentlich klar, dass ich Bildhauer werden will. Der Begriff Bildhauerei, den kannte ich noch nicht. Aber ich wollte einfach Figuren machen. Ich wollte auch so einen Reiter machen. Ich habe zwar in meinem ganzen Leben keinen Reiter gemacht, aber seitdem wollte ich einfach Figuren machen...
Sachliche Kritik an meiner Arbeit nehme ich immer ernst, wiewohl ich meiner Vorstellung stets den Vorzug gebe.
Es schmeichelt mir, dass meine Statuen die Menschen heute noch in Wallung bringen können, auf welche Weise auch immer. [...] Das sehe ich immer als Zeichen dafür, dass meine Plastiken die Leute beschäftigen. [...] Es ist immer ein Erfolg des Bildhauers, wenn seine "Kinder" im Gespräch bleiben, ist das doch der Beweis, das sie noch am Leben sind.